
Nach der Flüchtlingskrise erholt sich die griechische Insel Lesbos langsam. Doch der Bürgermeister fürchtet, dass die echten Herausforderungen noch bevorstehen

Keine Zelte mehr, keine Müllhaufen – auch die vielen Freiwilligen sind verschwunden. Die Not der Flüchtlinge auf der griechischen Insel Lesbos hat die kleine Hafenstadt Mytilini einst auf die Titelseiten von Zeitungen in der ganzen Welt gebracht. Jetzt erinnert in der historischen Altstadt kaum noch etwas an die humanitäre Krise, die das Leben hier so lange geprägt hat. Und dennoch: Wer heute an Lesbos denkt, denkt an die Flüchtlinge, sagen sie auf der Insel.
Dabei kommen längst nicht mehr so viele Flüchtlinge wie noch vor zwei Jahren. Die Balkanroute ist geschlossen, das Rücknahme-Abkommen von EU und Türkei nach wie vor in Kraft. Doch bei den Migranten, die dort sind, wächst die Verzweiflung.
„Die Lage scheint sich derzeit zu entspannen, aber wenn man genauer hinschaut, ist es nicht so einfach“, sagt Achilleas Tzemos. Er ist Projektkoordinator von Ärzte ohne Grenzen auf Lesbos. Viele seien in überfüllten Lagern untergebracht – mit ungewisser Zukunft, was zu schweren psychischen Problemen führe. Vor wenigen Wochen zündete sich ein Syrer auf der benachbarten Insel Chios an – er überlebte nur knapp. Drei Tage davor hatte sich ein anderer in der Nähe von Athen erhängt.
Seit 2015 sind mehr als eine Million Flüchtlinge über Griechenland nach Europa gekommen. In der Hochphase landeten an einem Wochenende bis zu 10000 Menschen an Lesbos’ Küsten, hungrig und erschöpft von der Überfahrt. In der Regel warteten sie ein paar Tage, bevor sie eine Fähre Richtung Festland bestiegen, von wo aus sie nach Schweden oder Deutschland weiterreisten. Nun müssen sie bleiben, bis ihre Asylgesuche entschieden sind.